Durch Filme, Medien und Erzählungen entstehen eigenartig präzise Bilder im Kopf, die sich - reist man dann selber in die Orte und Länder - als ein Haufen Klischees herausstellen.
Und so hatte auch ich Klischeevorstellungen von Mallorca, die ich allesamt nicht bestätigt fand. Mir ist ein Rätsel, wie bei so viel Naturschönheit und Inselidylle, Kulturschätzen und Ursprünglichkeit ein Etikett wie "Putzfraueninsel" überhaupt entstehen und über lange Jahre kleben bleiben konnte.
Vom Flughafen der Inselhauptstadt fuhr ich 50 km Richtung Südosten direkt nach
Cala Figuera
Noch bis Mitte des vorigen Jahrhunderts dürften sich die Häuser des Fischerdorfes nur rund um die beiden tief eingeschnittenen Meeresarme Caló d'En Boira und Caló d'En Busques erstreckt haben, eingerahmt von Feigenbäumen und Kiefern.
Als dann der Tourismus kam, hat sich der Ort - peu à peu - nach Westen etwas ausgedehnt. Heute sollen 760 Menschen dort leben. In 14 Juni-Tagen habe ich nur selten welche getroffen. Und auch kaum Touristen, außer am Hotel Rocamar. Es herrschte eine dörfliche Idylle.
Die Buchten mit dem malerischen Hafen in der sogenannten "Feigenbucht" (les figues, katalanisch, die Feigen) haben nur einen unbedeutenden kleinen Strand. Steinwege in den Felsen führen zu den Bootsanlegestellen. Man kann den Hafen und die angrenzende Felsenküste gut zu Fuß umwandern.
In drei Reiseführern las ich ähnlich erfreuliche (weil Touristen abschreckende) Sätze: "ein Urlaubsort, der nicht allen zusagen dürfte" - "es läßt sich nicht viel unternehmen dort" - "als Urlaubsziel für Familien wenig geeignet" - "haben die großen Reisekonzerne diesen Ort übergangen" - "die nächsten Strände liegen etwas entfernt".
Auch von Ausflüglerschwärmen, die tagsüber hier einfallen sollen, habe ich im Laufe des Junis keinen einzigen angetroffen. Die Zeit scheint stehengeblieben in dieser grünen Idylle.
Neun Jahre später - 2017 - suche ich im Internet vergeblich nach dieser Apartmentanlage (Can Mari), in der ich für 44 Euro pro Nacht eine große Terrasse mit Blick über die Baumwipfel und Dächer des Ortes, einen Pool zur morgendlichen Erfrischung und viel pieksaubere Wohn- und Schlafraumfläche hatte.
Links, wo der kleine grüne Pfeil ist, liegt die Cala S'magador - "meine" Traumschwimmbucht - eingerahmt von dichten Aleppokiefern. Auf stillen schmalen Nebenstraßen sind es mit dem Auto nur 10, mit dem Fahrrad 17 Minuten vom Ort Cala Figuera bis zum Parkplatz (große weiße Fläche unter dem grünen Pfeil) Parque Natural Mondragó - plus ein paar Schritte. Weißer Sand, kristallklares Wasser, märchenhaft. Jeden Morgen war der Strand menschenleer und im Wasser nur drei bis vier Mitschwimmer.
Folgend ein paar Momentaufnahmen. Ab dem Parkplatz Parque Natural Mondragó wanderte ich - allein auf weiter Flur - über Stock und Stein durch den schattigen Wald und immer wieder entlang der stark zerklüfteten Küste mit ihren aufgischtenden Felsenbuchten.
Valldemossa
Es graut einem vor Valldemossa, wenn man sowas im Reiseführer liest: "... der Touristenrummel und die schiere Wucht der täglich dort einfallenden Menschenmassen ..."
So ein Quatsch. Wenn ich um 6:30 Uhr aufstehe, mich um 7:30 ins Auto setzte, erreiche ich das Städtchen - über gut ausgebaute Straßen - (von Cala Figuera) in gut einer Stunde. Um 8:30 Uhr bin ich mit der Morgensonne, den Bürgersteig fegenden, Kaffee trinkenden, geschäftigen und tratschenden Einwohnern noch ganz alleine. Und jetzt ist auch noch an jeder Ecke Platz zum Parken.
Die berühmte "Kartause", die Geschichten um Frédéric Chopin und George Sand interessieren mich nicht. Ich bin neugierig auf das morgendliche Alltagsleben, die pittoresken Gassen und alten Häuser, auf den hübschen Klostergarten, die allüberall sprießenden Blumen und die fantastischen Ausblicke auf die umgebenden Berge. Knapp zwei Stunden habe ich Zeit um dieses Kleinod von Altstadt in vollen Zügen zu genießen.
Um 10:30 Uhr, wenn die ersten fetten Touristenbusse anrollen, mache ich mich wieder aus dem Staub.
Jardins d'Alfàbia
Wenn man bereits zur Öffnungszeit, um 9:30 Uhr, vor dem Tor steht, hat man gut 1 1/2 Stunden Zeit, um nahezu alleine durch die arabischen Gärten lustzuwandeln und die Räume des Guthauses ungestört zu bewundern.
Alfabia befindet sich in Bunyola, im Herzen des Tramuntaner Gebirges. Es ist ein Zusammenspiel von Park, Garten und Landhaus. Seine Geschichte reicht zurück bis in die Zeit der Araber. Über mehr als drei Jahrhunderte arabischer Herrschaft in Spanien (bis 902) hatte sich die orientalische Kultur auch auf Mallorca aufs Fantastischste entfaltet. Die Anfänge der Häuser allerdings liegen in der Gotik und zeichnen sich durch charakteristisch ländliche Bauweise aus.
Im Eintritt von 7,50 Euro enthalten (anno 2017, Kinder bis 10 = frei) ist die Besichtigung des sonnendurchfluteten, nach allen Himmelsrichtungen offenen Alfabia-Hauses. Antikes Mobiliar, alte Gemälde und die Bibliothek erinnern an den einstigen Wohlstand mallorquinischer Großgrundbesitzer.
Sóller
Das 14.000-Einwohner-Städchen Sóller, gelegen in der Serra de Tramuntata, im Nordwesten Mallorcas, erreiche ich zum Mittagsläuten - für mich ein unglücklicher Zeitpunkt, denn die Plaça Constitucio im Stadtzentrum ist ein einziges Menschengewimmel (u.a. Scharen von Tagesausflüglern aus Palma). Ich habe mich gleich wieder verabschiedet, auch von Port de Sóller *, wo gleich schlimmes Gedränge herrscht.
* Die historische Eisenbahn, der "Roter Blitz" verbindet Palma mit Sóller. Seit 1912 schlängelt sich der Zug durch die grandiose Kulisse des Tramuntanagebirges. Für die 27 Kilometer lange Strecke soll er fast eine Stunde benötigen. Weiter geht's mit der hier gezeigten historischen Straßenbahn in den 3 km entfernten Ortsteil Port de Sóller, der am Mittelmeer liegt.
Porto Cristo
Felanitx
Felanitx, inmitten von Feldern, Weingärten und ein paar verfallenen Windmühlen, ist ein gemütliches altes Landstädtchen, mit immerhin über 100.000 Einwohnern. Freundlich, ländlich, eben sehr mallorquinisch und (im Juni) nur ein paar unauffällige Touristen.
Um den Hauptplatz Plaça Espanya liegen einige Bars und Cafés, östlich steht die große Pfarrkirche mit ihrem warmen, goldfarbenen Santanyí-Stein, der weiten Freitreppe und der opulenten Fassade. Über den Carrer Major und den Carrer d'es Call gelangt man über einen in Stufen angelegten Kreuzweg zum Kalvarienberg Calvari, von wo sich eine tolle Aussicht bietet.
Pollença
Pollença war übrigens meine Zwischenstation zum 13 km entfernten - folgend vorgestellten - Mirador Es Colomer.
Die vielen imposanten alten Häuser in den verwinkelten Gassen der Altstadt zeugen davon, dass es den Bürgern früherer Epochen recht gut gegangen sein muß. Pollença wurde von Bewohnern der ehemaligen römischen Stadt „Ciutat Romana de Pollentia“ – dem heutigen Alcúdia gegründet. Mit zahlreichen Kunstgalerien, Künstlertreffs und einem traditionsreichen Musikfestival gilt sie inzwischen als "Kulturhauptstadt des Nordens".
Wer einen Ausflug nach Pollença macht, muß - selbstverständlich - die 365 Stufen zur Spitze des Kalvarienberges hinaufsteigen. Jede Stufe symbolisiert einen Tag des Jahres. Beim Erklimmen der Treppen soll man seine vergangenen 365 Tage im Geist passieren lassen und/oder Pläne für die kommenden 365 Tage machen. Der Ausblick auf die Bucht von Alcúdia und auf das Tramuntana-Gebirge sind die Aufstiegsmühe wert.
Mirador Es Colomer
Bus an Bus, Auto an Auto, Touristenschlangen ... aber die Aussichten, die bizarren Felsformationen und Steilklippen, die einzigartige Kulisse, die Wucht dieses Gebirgszacken auf dem man entlangstolziert, und die Weite des Meeres sind so imponierend, dass man die anderen Besucher ausnahmsweise mal vergißt (übersieht). Der äußerste Aussichtspunkt liegt exakt 232 m über dem Meer - gewaltig, berauschend und ein bißchen beängstigend.
Blick hinunter zum Port de Pollença
Palma
Es ist mein immer gleicher Ratschlag: Wenn Sie die Altstadt "erleben" und das Alltagsleben der (400.000) Einwohner "spüren" wollen, dann stehen Sie früh auf. Um 8 Uhr bekam man (2008) - außerhalb des Altstadtkerns - sogar locker noch einen Parkplatz.
Statt Bermuda-Shorts und bunter T-Shirts bestimmen gut geschnittene Anzüge und schicke Kostüme der Berufstätigen das Straßenbild. Palma gehört immer noch und an erster Stelle den Palmeros. Auch tagsüber ist der Tourismus hier - Gottseidank - nicht prägend.
Das katalanische Palma ähnelt ein wenig dem katalanischen Barcelona: Elegante Einkaufstraßen voll exklusiver Designerläden wechseln ab mit noblen Palästen in dem engen, winkligen Gassengewirr der Altstadt. in beiden Städten entstammen die Glanzlichter der Architektur hauptsächlich der Gotik und dem Modernisme, der katalanischen Variante des Jugendstils. Palma ist übrigens eine der reichsten Städte Spaniens.
Um nochmal auf Shorts, T-Shirts (Unterhemden) und andere gern getragene deutsche Urlauberklamotten zurückzukommen, die fallen hier nicht nur unangenehm auf ... die Bürger lassen Touristen das auch spüren! Zwischen 14 und 17 Uhr hält Palma Siesta, viele Geschäfte lassen dann die scheppernden Eisenrollos runter (in Barcelona gilt die Siesta-Regel schon kaum noch). Auch sonntags sind neben den Geschäften auch viele Restaurants geschlossen.
Palmas wichtigste Sehenswürdigkeiten sind - die Kathedrale, die Coves del Drac (unterirdische Höhlen), das Castell de Bellver (Panorama), der Königspalast La Almudaina, die Placa Major de Palma de Mallorca, die Stiftung Fundació Pilar i Joan Miró a Mallorca ... Ich kann keine empfehlen, da ich mich in Palma einfach nur habe treiben lassen - - - mal Entdeckungen mache, Häuser, Menschen und Alltagstreiben beobachte, in Geschäften stöbere und schnuppere, ein zwei Café cortado trinke oder auf einem Spielplatz den Kindern und Müttern zuschaue.
Demnächst poste ich:
2008/09 Kambodscha und schon wieder Vietnam
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