Samstag, 27. Februar 2016

1 x rund um Jamaica: Inseltraum und Touristentrauma (2004-05)


Ich bin schon viel herumgekommen, und erfahrungsgemäß gibt es kaum eine Reise, die von der ersten bis zur letzten Minute "wie geschmiert" abläuft. Wenn man, sagen wir mal 6 Wochen in Südostasien unterwegs ist, da wäre es geradezu ein Wunder, wenn nicht irgendwann, irgendwo, irgendwas richtig schief geht ... 

Was ich allerdings auf diesem Jamaica-Trip erlebt habe, das spottet jeder Beschreibung. Aber der Reihe nach ...

Pünktlich 19:30 Uhr landet der Flieger in Montego Bay. Weit und breit findet sich auf dem Flughafen kein Mitarbeiter von 'Payless Car Rental', geschweige denn der für vier Wochen gemietete Wagen. Ein Taxi bringt mich zum Stadtbüro von 'Progressive Car Rentals'. Das ist (natürlich) geschlossen.


Mittlerweile ist es 22 Uhr. Ein Taxi bringt mich zu dem über 'bookhostels' gebuchten Caribic House in der Gloucester Road (ich warne Neugierige!). Am Empfang hockt in einer Art Käfig eine impertinente, fette Farbige. Nahezu eine halbe Stunde lang kramt sie fluchend nach meiner 'angeblichen' Zimmerbuchung. 

Solch 'liebenswürdigen Empfänge', nachdem man 22 Stunden unterwegs ist und schon nicht mehr gerade stehen kann, sind besonders beglückend.

Endlich 4 1/2 Stunden nach der Landung betrete ich mein 'Guesthouse'-Zimmer. Da man es von innen nicht abschliessen kann, klemme ich einen Stuhl und schiebe einen Tisch vor die Türe.


Zimmerausblick am nächsten Morgen. Ich begebe mich zum Büro von 'Progressive Car Rentals', wo man meine Beschwerde achselzuckend nicht zur Kenntnis nimmt. Man erklärt mir, ohne eine 'Sicherheit' von zusätzlichen US$ 210 (wovon bei der Buchung keine Rede war) könne man mir das Fahrzeug nicht übergeben. 

Nach der Reise entpuppt sich diese sog. Sicherheit-Summe als Betrugsversuch.

Endlich mache ich mich auf den Weg, entlang der Nordküste nach Ochos Rios, eine Kleinstadt, in der vor allem fette Kreuzfahrtpötte anlegen, mit der (angeblich) größten Touristenattraktion Jamaicas, den Dunn’s River Falls, die sicher mal ein Naturwunder waren, jetzt jedoch ein einziger Menschenmassen-Rummel sind (zu besichtigen auf Fotos und in Filmen).



Ich befinde mich aber auf der Durchreise und möchte (wegen Migräne) nur schlafen. Die Eincheck-Prozedur im auffallend menschenleeren Marine View Hotel läuft ebenso desinteressiert wie unfreundlich ab.



Am nächsten Tag erreiche ich das sympathische Port Antonio. Hier suche ich ein hübsches Guesthouse, wo ich für das letzte Viertel meiner Jamaica-Reise eine Woche vorausbuchen möchte. 

Zehn  Gehminuten vom Zentrum entfernt entdecke ich auf der beschaulichen Halbinsel des historischen Titchfield-Hügel das Ivan Hoe's Guesthouse. Das Haus (durch das man eintritt) im Kolonialstil ist ca. 160 Jahre alt und das Dekor charmant (die Zimmeraustattung auch). Mit Erstaunen vernehme ich, dass in dem 12-Zimmer-Haus z.Zt. kein einziger Gast logiert (es ist der 8. Dezember). Mehr über dieses Gästehaus, wenn ich später hier wieder einkehre.


Am nächsten Tag fahre ich nach Buff Bay, dann entlang von Jamaicas berühmten Blue Mountains (eine tolle Strecke!), streife die Landeshauptstadt Kingston (zu gefährlich **) und fahre nach May Penn, wo ich ebenso vergeblich nach einer Unterkunft suche, wie in Mandeville, immerhin Jamaicas fünftgroße Stadt. Bis hierher sind es zwar 'nur' 180 km, für die ich aber locker 5 Stunden hinterm Steuer klemme (plus Pausen). 

** Der lonely planet Reiseführer aus dem Jahr 2003 strotzt auf seinen 352 Seiten nur so vor Touristen-Warnungen "Dangers & Annoyances". Jamaicas Hauptstadt wird mit den Worten eingeleitet:  
      "The island averages three murders per day, and 75% of these occur in Kingston..."


Weiter gehts noch eine Stunde bis Santa Cruz, wo mir Einheimische eine Zimmervermieterin empfehlen, die tatsächlich - endlich - ein leeres und obendrein gemütliches Gästezimmer hat, mir mimisch jedoch bedeutet, dass sie mich lieber zum Teufel wünschen würde.

Am nächsten Tag erreiche ich mein erstes Langzeitziel - Treasure Beach an Jamaicas Westküste. 


Über Treasure Beach schrieb 'lonely planet': "You won't find a more authentically charming and relaxing place in Jamaica..." Die einzige bezahlbare Unterkunft, direkt am Strand, ist das Golden Sands Beach Hotel.  

Es war menschenleer!

Die Managerin, nur zeitweise und nur tagsüber anwesend, begrüßte mich jeden Tag mit der gleichen stereotypen Formel, darüber hinaus wollte sie mit ihrem einzigen Gast nichts zu tun haben. Nachts befand ich mich in dieser großen Anlage ganz alleine. 


Das Inventar des Zimmers - mit direktem Zugang auf die Veranda, d.h. Blick vom Bett aufs Meer - bestand aus diesem Tischchen, diesem Ventilator und diesem Bett. Dazu gabs im Haus eine riesige, ziemlich heruntergewirtschaftete Gemeinschaftsküche.


Am 3. Tag machten sich Arbeiter auf der Anlage zu schaffen, mit diesem hier kam ich ins Gespräch (die erste menschliche Regung, die ich auf Jamaica erlebte). Von ihm lernte ich die Masche kennen, wie Jamaicaner mit scheinbar freundschaftlichem Kontakt versuchen, Touristen Geld abzuknöpfen. Den gleichen "emotionalen Trick" erlebte ich noch zweimal in Long Bay und - Jahre später  - auch auf Kuba. Und das geht so:

Nachdem wir  uns in seinen Arbeitspausen mehrmals interessant unterhalten hatten, er schlug auch Kokosnüsse von dem Palmen und klopfte sie für mich auf, erzählte er mir eines Abends, sein Chef hätte ihm den Lohn nicht ausgezahlt, aber er müsse für Frau und Kinder Essen einkaufen - ob ich ihm für ein/zwei Tage etwas borgen könne? Am Wochenende bekäme er seinen Lohn, und dann würde er es mir - selbstverständlich - auf Heller und Pfennig zurückzahlen. 

Ich war skeptisch, aber ich mochte den Kerl und da die Arbeiten nicht abgeschlossen waren, hätte er tags darauf wieder zur Arbeit kommen müssen. Natürlich erschien er nicht mehr in der Hotel-Anlage, wie auch das Geld nicht. Dafür bekam ich allabendlich spektakuläre Sonnenuntergänge für umsonst.

Zweimal fuhr ich in das Touristen-freie 4000-Seelen-Städtchen Black River, um mich auf dem urigen farmers market mit Obst und Gemüse zu versorgen. Anfang des letzten Jahrhunderts war Black River ein bedeutender Exporthafen für Zuckerrohr und Kampecheholz. Prächtige Häuser mit Schnitzereien an Giebeln und Balkonen entlang der Uferstraße High Street zeugen von besseren Zeiten. Attraktion des Ortes ist eine Bootsfahrt auf dem rabenschwarz scheinenden Black River. 'Highlight' solcher Touren sind Krokodile, die mir schon in Florida, Thailand und ... zur Genüge vorgeführt wurden.

In Black River's Cawley's Pharmacy lehnte man es strikt ab, mir Augentropfen zu verkaufen, da müsse ich erstmal zum Arzt gehen. 

Von Black River sind es knapp 20 km zum YS Falls Visitor Center, ein Wasserfall, an dem es nicht vor Touristen wimmelt, gelegen in einem Traum von einem karibischen Landschafts-Park. In etwa 15 Kaskaden stürzt das Wasser den Berg hinab. In einigen Flussbecken kann man baden.

Um von Treasure Beach an der Südküste - quer über die ganze Insel - wieder an die Nordküste nach Port Antonio zu kommen, benutzte ich allerlei Nebenstraßen über die Dry Harbour Mountains, wobei ich mich dermaßen verfuhr, dass ich irgendwann auf einem Feldweg im Nirgendwo landete.
 
Hier traf ich das erste und einzige Mal (während meines gesamten Jamaica-Aufenthaltes) auf wahrlich freundliche, hilfsbereite Einheimische, die mir aus dem Schlamassel wieder heraushalfen.

Wieder zurück im schnuckligen Ivanhoe's Guesthouse in Port Antonio, dessen ganztags schwer geschäftige Eigentümerin Mrs. Burke - ausser zum Bezahlen - ihrem einzigen Gast aus dem Weg ging. Dafür amüsierten sich ihre (ich glaube, es waren) Enkelinnen mit mir. In den 7 Tagen meines Aufenthaltes nächtigte - außer mir - nur zweimal ein junges Paar in dem herrlichen 12-Zimmer-Anwesen.


Von meinem Zimmer und der (Frühstücks)-Terrasse genießt man einen traumhaften Blick über den Garten, den 'Ost-Hafen' (eine Bucht) und bis zum Meer.






5 Fotos von Long Bay (Nord-Ost-Küste) - menschenleer! - aufgenommen an verschiedenen Tagen, d.h. zu verschiedenen Wetterbedingungen. Beliebt unter Surfern und bagpackern, gefährliche Strömungen, nichts für unerfahrene Schwimmer.

lonely planet (2003): "Drugs are rife, and an aggressiveness towards foreign visitors has been sensed ... Readers have also reported burglaries and instances of violent assault, even rape ..." 






Wie dies hier oben folgen 5 Fotos (inkl. Trident Castle) , die auf der 24 km kurzen kurvigen Strecke zwischen Port Antonio und Long Bay entstanden sind.



Trident Castle, in Turtle Crawl Bay, is the sole castle in the entire Caribbean. The Austrian Baroque structure was built in the 1980s for a German Baroness but ownership subsequently passed to the Levy family. It can be rented and the list of international celebrities who arrive on the property via helicopter for a secluded villa vacation inspires awe. The castle is as photogenic as it is legendary. castleportantonio.com




Eine zwar weitläufige und dennoch idyllische, goldgelbsandige Bucht - Winnifred Beach, nächst der berühmten Blue Lagoon - an der mehrere selbsternannte Strand-Wächter den Besucher drängend bis agressiv um "Parkgebühren" und "Eintrittsgeld" anmachen.




Die wahrlich paradiesische Traum-Bucht - Boston Beach (mit Duschen, 3 Fotos) - wird  hauptsächlich von Einheimischen frequentiert.




Zurück in Montego Bay (110.000 Einwohner, größter Flughafen Jamaicas):




Auf dem Pool-Foto meines View Guest House sind noch die Reste einer ganz besonderen Überraschung zu erkennen, die man (still und heimlich) für mich bereithielt: 

In meiner letzten Nacht fand hier eine Hochzeitsfeier statt. Vom Spätnachmittag bis in die frühen Morgenstunden dröhnte eine wahre Musik-Orgie, Gelächter und Geschrei zu mir herauf, so dass ich die ganze Nacht senkrecht im Bett stand.




Auf dem Weg zur Rockland Birds Feeding Station, die gute 10 km westlich vom Zentrum entfernt in den Bergen liegt. Ich hatte Glück, tatsächlich erschienen bei meinem Besuch jede Menge Vögel, was keineswegs garantiert ist (unter den tripadvisor-Bewertungen gibt es auch schwer enttäuschte Kommentare). Jeder Besucher wird mit Zuckerwasser-Fütter-Flaschen ausgerüstet, worauf sich einem die Gefiederten auf Hand und Arm niederlassen. Über die Vogel-Station gibt es einen lesenswerten, ausführlichen und toll bebilderten Bericht von Helen Baines.




Noch ein Wort über das Horror-Finale: Am Abflugmorgen aufgestanden, den lieben langen Tag irgendwie um die Ohren geschlagen, pünktlich auf dem Flughafen, sollte das Flugzeug von Martinair (ein Tochterunternehmen von Air France und KLM) um 20:50 Uhr starten. Aber der Flug erschien nie auf der Anzeigetafel, noch wußte oder informierte irgendjemand über irgendetwas. Gegen 23 Uhr hieß es beiläufig, die Maschine habe einen Schaden, müsse repariert werden und käme verspätet. Der Flughafen leerte sich, die letzten Maschinen hoben ab, es war längst Mitternacht, die Fluggäste von MP629 erhielten einen Gutschein für Getränk und Essen, den sie in am letzten offenen Stand schnell einlösten - Geschäfte und Restaurants waren längst geschlossen, die Beleuchtung reduziert. Es wurde 2 Uhr morgens, es wurde 3 Uhr morgens ... gegen 4 Uhr kam die Maschine aus Amsterdam. Spät abends in Amsterdam gelandet gab es natürlich keinen Anschlußflug mehr ... also per Bus in ein Hotel geschafft ... um 5:30 Uhr mußte ich bereits wieder auf dem Flughafen sein ... 

Nachspiel: Natürlich hat Autovermieter 'Progressive Car Rentals' die hinterlegte Sicherheitsgebühr - auch nicht nach Droh-Faxen und Droh-Emails (alles wurde ignoriert) - zurückgezahlt. Es brauchte geschlagene 4 Monate bis ich - über wiederholte Korrespondenz mit VISA - die 210 US$ zurückbekam.


Jamaica-Tipp: Ich warne Neugierige!

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